Sieben Fragen an Aliaa Abou Khaddour

1. Wie und warum bist Du Künstlerin geworden?

Ich kann mich nicht an eine Zeit in meinem Leben erinnern, in der ich mich nicht als kreativ verstanden habe. Ob zu Hause oder in der Schule wurde ich oft mit dem arabischen Wort “fanana” (Künstlerin) bezeichnet und sollte dementsprechend die Schultafel beschmücken oder Mitschüler bei ihren Kunsthausaufgaben unterstützen. Mein Vater, Schriftsteller und Literaturkritiker war ein großer Kunstliebhaber und hat bei mir meine ersten Titelbilder beauftragt. Das war so früh -  daher kann ich nicht sagen, dass ich mich bewusst dafür entschieden habe, Künstlerin zu werden.
2. Gibt es ein Kunstwerk, eine Ausstellung, einen Künstler oder eine Künstlerin, die für Dich von besonderer Bedeutung ist?

Ein Künstler, dessen Werke bei mir bis heute nachwirken, ist Egon Schiele, früher auch Louay Kayali und Horst Janssen. Aktuell bin ich ein Fan von Hope Gangloff und Kadir Nelson.
3. Denkst Du viel über Kunst nach? Was bedeutet das für Deine Arbeit?

Früher musste ich ganz bewusst über den Begriff Kunst nachdenken. Als ich meine Doktorarbeit der Kunstgeschichte in Oldenburg vorbereitet habe, war ich u.a. intensiv mit der Frage nach der Kunst beschäftigt und habe ihre “Definition” verzweifelt gesucht. Obwohl das Projekt wegen des Todes meines Doktorvaters abgebrochen wurde, war das ganze nicht umsonst, denn diese Erfahrungen verleihen meiner künstlerischen Arbeit vielleicht eine bestimmte Tiefe. Heute denke ich nicht mehr in dieser Weise über Kunst nach, sondern darf sie persönlich erleben.
@Archive books, Berlin(C) Mathias Völzke
4. Hat Kunst einen Auftrag, einen Zweck, ein Ziel? Zum Beispiel gesellschaftlicher oder politischer Art?

Von der Kunst sollte nicht erwartet werden, einem moralischen, sozialen oder politischen Zweck zu dienen. Denn Kunst ist um der Kunst willen wertvoll. Jedoch Kunst tut das oft: Sie spiegelt gesellschaftliche Diskurse wider, bietet Visionen und Perspektiven an. 

Kunst kann persönlich und gleichzeitig universell sein. 

Auf der anderen Seite muss man der Kunst auch die Freiheit lassen, dies zu tun. Wo zum Beispiel autoritäre und diktatorische Regime herrschen, darf freie, progressive Kunst nicht existieren. Kritische Äußerungen und abweichende Meinungen werden gefiltert. Wenn Kunst überhaupt unter solchen Umstände existiert, dient sie als Aufstand gegen die Politik des Hasses.
5. Gibt es gute Kunst oder ist das alles bloß „subjektiv“?

Ja! Meiner Meinung nach gibt es für jeden großartige Kunst, schlechte Kunst und alles dazwischen. In der Praxis kann die Popularität und Unpopularität eines Künstlers Kunst gut oder weniger gut erscheinen lassen. Leider wird es immer erstaunliche Künstler geben, die nie bemerkt werden, und mittelmäßige Künstler, die Anerkennung und Erfolg haben.
6. „Ich kenne kein Weekend“ heißt es bei Joseph Beuys. Hast Du manchmal „kunstfrei“?

Ja! Ich kenne manchmal sogar längere Wochenenden und genieße Künstlerpausen sehr. Die kommen zu mir sehr organisch. Normalerweise nach einigen fleißigen Wochen, an denen ich sehr produktiv war oder wenn es eine kreative Blockade gibt.


7. Was wärst Du geworden, wenn Du keine Künstlerin geworden wärst?

Interieur-Designerin (Studium Schwerpunkt in der Kunstakademie). Oder vielleicht eine Schriftstellerin.